Industrie 4.0 erfordert ein Umdenken in der Art, wie mit Daten umgegangen wird. Gastbeitrag von Daniel Liebhart
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Der Autor Daniel Liebhart ist Dozent für Informatik an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Solution Manager bei Trivadis
Die intelligente Fabrik der Zukunft wird vollautomatisch, flexibel, wirtschaftlich und ressourcenschonend in kleinsten Stückzahlen fertigen und termingerecht ausliefern können. Das Idealbild; Ein Kunde definiert seinen individuellen Auftrag, der sich anschließend über Firmengrenzen hinweg von selbst steuert – von der Bestellung des erforderlichen Rohmaterials über die Reservierung der Bearbeitungsmaschinen, Montagekapazitäten, Lagerhallen und die erforderliche Logistikleistung bis hin zur Qualitätskontrolle und Auslieferung. Damit diese Vision in Österreich real wird, investiert die Bundesregierung in diesem Jahr 50 Millionen Euro im Rahmen des Schwerpunktes „Zukunft Industrie 4.0“.
Die Rolle der Daten.
Möglich wird die intelligente Fabrik durch das nahtlose Zusammenspiel einer Vielzahl von modernen Fertigungseinheiten (CPS oder CPPS - Cyber-Physische Produktionssysteme), die im Zentrum eines vernetzen Verbundes von Sensoren wie Beispielsweise Kameras, Mikrofon oder Messfühler und anderen an einer Produktion beteiligten Geräte wie Host, Server, PC, Tablet und Smartphone stehen. In diesem Verbund „intelligenter Dinge“ müssen sämtliche relevanten Produktions- und Umgebungsdaten in Echtzeit ausgetauscht und kombiniert werden können, damit die einzelne Fertigungseinheit möglichst effizient arbeitet. Nur dann werden Aktoren wie beispielsweise Greifarme, Werkzeuge oder andere Mechanismen rechtzeitig einzelne Produktionsschritte den Daten entsprechend ausführen.
Eine Smart Factory besteht jedoch noch aus mehr als nur Fertigungseinheiten. An der integrierten Produktion ist eine Vielzahl weiterer Gerätschaften wie Lager, Transport- und Fördergeräte, Kühl- oder Heizaggregate und vieles Mehr beteiligt. Der optimale Materialfluss und der parallele Datenfluss sorgen dafür, dass die Fabrik als Ganzes effizient arbeiten kann. Dabei spielen Faktoren wie die Auslastung der Maschinen und Lager, die minimalen Wegzeiten oder die Vorhersage von Ausfällen, das dynamische Allokieren von Ressourcen, der Einbezug von Umweltinformationen eine Rolle. Die bisher übliche Trennung von Produktionsplanung und Produktionssteuerung entfällt und wird durch die integrierte Steuerung mit Hilfe der Kombination und des Austausches von produktionsrelevanten prognostischen, aktuellen und historischen Informationen erreicht.
Die moderne Fertigung im Sinne einer Industrie 4.0 macht vor Betriebsgrenzen keinen Halt. Eine integrierte auftragsorientierte Produktion, die vom Rohstoff bis hin zum fertigen Industrieprodukt reicht, erfordern firmenübergreifende Wertschöpfungsketten. Zu diesem Zweck müssen Informationen zwischen Unternehmen standardisiert und sicher ausgetauscht werden können. Auf der Basis von Referenzmodellen für technische Systeme und Prozesse sind zurzeit Normen am Entstehen, die Informationsobjekte und Formate für den Datenaustausch zwischen Firmen definieren. Zusätzlich spielen beim Datenaustausch Aspekte der Vertraulichkeit, der Integrität und der Verfügbarkeit von Daten eine sehr große Rolle. So muss der Zugriff auf Daten eingeschränkt und gleichzeitig garantiert werden und die Korrektheit und Unversehrtheit der Daten muss jederzeit gewährleistet werden.
Der kluge Umgang mit sehr großen Mengen an Daten spielt für die Umsetzung der „Zukunft Industrie 4.0“ eine entscheidende Rolle. Die Aufgabenstellung variiert – je nachdem, auf welcher Ebene Informationen ausgetauscht werden. Auf der Ebene einer einzelnen Produktionseinheit steht die rasche Kombination von Daten im Vordergrund, während auf der Ebene der Produktionsstätte eher der schnelle Datenaustausch von Bedeutung ist. Zwischen unterschiedlichen Unternehmen spielt der Datenaustausch eine zentrale Rolle, wie beispielsweise im Rahmen der Interaktion mit Zulieferern oder Kunden. Und der stellt sehr hohe Anforderungen an Standardisierung und Sicherheit.
Fazit.
Der IT von morgen werden im Zeitalter von Industrie 4.0 zwei grundlegend neue Aufgaben zuteil: Die Bereitstellung und der Betrieb einer firmenübergreifenden Infrastruktur, die fähig ist, mit sehr großen Datenmengen umzugehen. IT-Systeme müssen hohe Verarbeitungsgeschwindigkeiten bei der Kombination von Produktions- und Kontextdaten für Produktionseinheiten sowie eine schnelle und umfassende Bereitstellung historischer, aktueller und prognostischer Produktionsdaten garantieren. Und es müssen neue firmenübergreifende Normen und Sicherheitskonzepte, -architekturen und -standards etabliert werden.