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Der internationale ERP-Spezialist Asseco Solutions agiert gleich mehrfach als Integrator. In der eigenen Lösung APplus bündelt man Themen von Projektmanagement über CRM bis Servicemanagement. Und in die technische Basis dafür gilt es, laufend neue Entwicklungen zu integrieren – seit einigen Jahren ganz besonders KI. Für Product & Cloud Director Werner Hießl, ist GenAI ein Game Changer, aber nicht der einzig bestimmende Faktor für künftige Geschäftsprozesse.
Foto: Asseco Solutions
Werner Hießl, Director Product & Cloud bei Asseco Solutions, geht es nicht darum, alle bestehenden KI-Technologien einfach durch GenAI zu ersetzen.
Seit über 30 Jahren bietet die Asseco Solutions mit Hauptsitz in Karlsruhe an mehr als zehn Standorten, unter anderem in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Italien und Polen, modernstes ERP für den Mittelstand. In der webbasierten Lösung APplus werden Funktionen wie Projektmanagement, CRM, DMS, Warenwirtschaft, Produktionsplanung und -steuerung, Finanzwesen und Servicemanagement gebündelt und so alle wesentlichen Stufen moderner Wertschöpfungsketten integriert. Um dafür permanent die entsprechende technische Basis zu bieten, legt das Unternehmen einen starken Fokus auf Forschung und Entwicklung. Da ist es nur logisch, dass man seit Jahren auch zu den Vorreitern in Sachen KI gehört und sich seit längerem besonders intensiv mit GenAI beschäftigt. Werner Hießl, Director Product & Cloud bei Asseco Solutions, sieht auch angesichts des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels das Potenzial von generativer KI höher als das jeder anderen aktuellen Technologie. Aber um das Potenzial zu erschließen, braucht es für ihn die Kombination aus generativer KI, analytischer KI und menschlichem Denken, Wissen und Können – als Fundament für die Geschäftsprozesse der Zukunft und damit für Produktivitätsschübe und Markterfolge von heute und morgen.
Herr Hießl, der erste Hype-Zyklus zu KI war gerade abgeflaut, da betrat GenAI die große Bühne. Ist die neue vermeintliche KI-Revolution die noch größere Hype-Blase?
Ein Hype definitiv. Dass es sich um eine Blase handelt, würde ich jedoch so nicht unterschreiben. Selbstverständlich läuft derzeit noch eine Art Findungsphase, in der Hersteller und Experten nach den nützlichsten und erfolgversprechendsten Einsatzmöglichkeiten suchen und diese konstant weiterentwickeln. Sicher jedoch ist bereits heute: Die derzeitigen globalen Spannungen, der steigende Wettbewerb, der Bedarf nach immer kostengünstigeren Verfahren – all das wird sich ohne massive Produktivitätsfortschritte nicht bewältigen lassen. Genrative KI verbindet Wissen und Expertise aus quasi allen Bereichen und ist zudem in der Lage, Prozessabläufe zu lernen und gleichsam zu verinnerlichen. Damit bietet sie ein enormes Potenzial, die täglichen Aufgaben im Unternehmen zu automatisieren, soweit es möglich und sinnvoll ist. Dadurch können Unternehmen ihre Mitarbeitenden von zeitraubender Routine entlasten. Anstatt sich immer wieder durch denselben Prozess zu klicken, kann die KI den Ablauf selbstständig übernehmen – sodass den Kolleginnen und Kollegen mehr Zeit bleibt, sich den wirklich wertschöpfenden Aufgaben zu widmen.
Aber auch die sogenannte analytische KI, die bereits seit Jahren in der Praxis zum Einsatz kommt, erledigt zeitraubende Aufgaben im Handumdrehen. Wo liegt der Mehrwert der GenAI?
Ein zentraler Unterschied besteht darin, dass analytische KI stets auf einen spezialisierten Einsatzzweck zugeschnitten ist und für diesen umfassend trainiert werden muss. Das kann beispielsweise die Optimierung der Lagerhaltung sein oder die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde einen bestimmten Auftrag tatsächlich annehmen wird. Generative KI benötigt demgegenüber kein mehrmonatiges, formelles Training. Zudem kann sie überall dort zum Einsatz kommen, wo kreativer Inhalt produziert werden soll – von Textarbeiten über die Generierung von Bildern bis hin zu Unterstützung bei der Softwareentwicklung. Generell erweitert GenAI die KI-Technologie um einen zentralen Aspekt, der in der Vergangenheit ein gewisses Manko darstellte: der leichte Zugang und die einfache Nutzung. Um ein KI-Szenario mit analytischer KI zu realisieren, ist immer spezielles KI- oder Technikwissen erforderlich. Jemand muss den Algorithmus aufsetzen, das Training korrekt durchführen und die Ergebnisse interpretieren können. GenAI hingegen steht – zumindest auf einfachem Niveau – jedem offen, egal wie technisch versiert oder unversiert die Person ist. Man kommuniziert mit ihr in natürlicher Sprache und sagt oder schreibt einfach, was man erreichen möchte.
Bringt diese geringe Schwelle nicht auch Risiken mit sich? Wie können Unternehmen sicherstellen, dass genutzte GenAI „unter Kontrolle“ bleibt?
Was die Zuverlässigkeit der Ergebnisse betrifft, gibt es bereits verschiedenste sehr gute Möglichkeiten, auf die auch wir in unseren Kundenszenarien zurückgreifen. Beim sogenannten Grounding etwa werden dem Sprachmodell automatisch Quellen und Materialien mitgegeben, auf die es sich in seiner Antwort hauptsächlich stützen soll. Das senkt das Risiko, dass die KI bei ihrer Antwort „halluziniert“, erheblich. Zudem spielt die sogenannte „Temperature“ eine wichtige Rolle. Mit ihr lässt sich definieren, wie frei oder kreativ die KI auf die spezifische Frage antworten soll. Durch Maßnahmen wie diese können Unternehmen schon bei der technischen Implementierung bestimmte Leitplanken für die Nutzung setzen.
Wie sieht es insgesamt mit der Sicherheit der genutzten Daten aus? Für die Nutzung der großen GenAI-Sprachmodelle kommen Unternehmen um die Cloud wohl nicht herum?
In vielen Fällen nicht. Aber auch hier lassen sich bereits heute sehr gute Vorkehrungen treffen, damit Unternehmen sicher und datenschutzkonform von GenAI profitieren können. Zu allererst empfiehlt sich dabei die Nutzung einer Enterprise-Lizenz, die die meisten großen KI-Player anbieten. Diese sind zwar kostspieliger, doch die bereitgestellten Daten werden nicht zum weiteren Training des Sprachmodells wiederverwendet. Des Weiteren können Daten vor der Übertragung in die Cloud pseudonymisiert werden: Soll die KI etwa die Lagerhaltung optimieren, muss sie dafür nicht den gesamten Artikelstamm mit seinen Klarnamen kennen. Die relevanten Muster lassen sich genauso gut identifizieren, wenn alle Artikel nur unter Pseudonymen bekannt sind. Nicht selten sind für eine KI-Analyse auch weniger Daten erforderlich, als man zunächst annimmt. Für das bereits angesprochene Grounding etwa werden im Vorfeld die Daten und Informationsquellen ermittelt, die für die Beantwortung der Frage tatsächlich relevant sind. Und nur diese werden dann an das Sprachmodell übergeben. Nicht nur steigt damit also die Qualität der KI-Ergebnisse, es sinkt gleichzeitig auch ihr Datenbedarf.
Mit den richtigen Vorkehrungen kann GenAI also sicher und kontrollierbar sein, zudem ist sie benutzerfreundlicher und aufwandsärmer. Sind die Tage der analytischen KI gezählt?
Aus meiner Sicht geht es nicht darum, die eine KI-Technologie durch die andere zu ersetzen. Beide haben ihre individuellen Stärken und sind nicht beliebig austauschbar. Gerade wenn Ergebnisse in einem klar umgrenzten Bereich in hoher Schlagzahl reproduziert werden müssen, bleibt meiner Meinung nach auch weiterhin die analytische KI das Mittel der Wahl. Vielmehr denke ich, dass sich das wahre Potenzial der KI nur mit einer effektiven Kombination aus beiden Ansätzen erschließt – um so die Expertise des Menschen optimal zu ergänzen und zu unterstützen. Wir werden sehr bald Szenarien sehen, in denen Menschen und generative KI gemeinsam an Prozessen arbeiten und in natürlicher Sprache dazu kommunizieren. Die KI treibt die erforderlichen Aufgaben soweit voran, wie es ihr möglich ist, und meldet sich aktiv beim User, sollte Dateninput oder eine Freigabe erforderlich sein. Genauso wie die generative KI den Menschen involviert, kann sie an den erforderlichen Stellen im Prozess auch spezialisierte analytische KI einbeziehen. Zum Beispiel um zu ermitteln, wie wahrscheinlich ein Auftrag tatsächlich zustande kommen wird, der eingeplant werden soll. Auf diese Weise können dann etwa Fertigungskapazitäten effizienter ausgelastet werden.