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Kreditversicherer Acredia stellt seine in die Jahre gekommene IT-Landschaft in einem Rutsch auf neue Beine. Welche Herausforderungen solch ein Mammutprojekt mit sich bringt und wie dem IT-Team die Umsetzung trotzdem in Rekordzeit gelang, erklärt Acredia-Vorstand Michael Kolb im Gespräch.
Foto: Acredia/M. Draper
Michael Kolb ist seit 2021 Fachvorstand für Commercial Underwriting, Customer & Shared Services, IT, Marketing & Sales, HR & Organisation bei der Acredia Versicherung.
Die österreichische Kreditversicherung Acredia springt dann ein, wenn Unternehmen ihre Lieferanten nicht rechtzeitig bezahlen können oder sogar insolvent werden. Schnelle Reaktionszeiten sind für diese Aufgabe zentral. Diesen Speed sollte auch die IT-Landschaft des Versicherers widerspiegeln. Das IT-Team ging das Digitalisierungsprojekt mit einer sportlichen Zielsetzung an: Die alten IBM-Maschinen sollten durch eine moderne, cloudbasierte IT-Infrastruktur ersetzt werden. Zudem wurden im selben Rutsch auch rund 200 Arbeitsplätze inklusive Homeoffice-Lösungen und der dahinterliegenden Netzwerkinfrastruktur auf den neuesten Stand gebracht. Acredia setzte das Mammutprojekt in der Rekordzeit von 250 Tagen um. Vorstand Michael Kolb hat sich mit it&t business über den Projektverlauf und die besonderen Herausforderungen, die die Digitale Transformation in der Versicherungsbranche mit sich bringt, unterhalten.
it&t business: Welche Zielsetzung verfolgten sie mit dem Projekt?
Michael Kolb: Als Kreditversicherer schützt Acredia offene Forderungen von Unternehmen vor Zahlungsausfall. Durch diese Absicherung können die Unternehmen mutig wirtschaften, ohne ihren Cashflow zu gefährden, z.B. indem sie neue Märkte erschließen. Damit die Unternehmen bei ihren Geschäften ein hohes Tempo fahren können, brauchen sie schnelle Entscheidungen, eine flexible Vertragsgestaltung und eine rasche Schadensabwicklung. Damit wir so ein Service bieten können, brauchen wir eine agile und leistungsstarke IT, wie wir sie jetzt aufgebaut haben.
it&t: Wie war die Ausgangslage?
Kolb: Unsere IT war von Legacy-Systemen geprägt, die bisher sehr gut funktioniert haben, aber nicht mehr zukunftsfit waren. Zudem waren wir an die Systeme unseres Anteilseigentümers Oesterreichische Kontrollbank angedockt, was Änderungen und Neuentwicklungen erschwert hat. Deshalb haben wir uns 2022 entschieden, unsere gesamte IT-Infrastruktur aus der Oesterreichischen Kontrollbank herauszulösen und auf völlig neue Beine zu stellen.
it&t: Wie ging die Projektplanung vonstatten?
Kolb: Am Anfang stand das klare Commitment, das wir dieses Projekt durchziehen wollen. Mit Markus Wernad als CIO haben wir einen absoluten Profi ins Haus geholt, der Erfahrung mit solchen Mammutprojekten hat. Besonders wichtig war, dass wir von Anfang an eine klare Strategie und einen straffen Zeitplan verfolgt haben. Gerade bei einem so komplexen Projekt, das sich durch das ganze Unternehmen zieht, besteht Gefahr, dass man vor lauter Planen aufs Tun vergisst.
Uns war relativ schnell klar, dass wir externe Unterstützung brauchen. Wir haben intensive Gespräche mit einer Handvoll möglicher Partner geführt und uns am Ende für Kapsch entschieden. Zum einen hat Kapsch schon ähnliche Projekte erfolgreich umgesetzt, zum anderen waren sie als Netzwerkpartner der OeKB schon mit unserer Ausgangssituation und unseren spezifischen Anforderungen vertraut.
it&t: Der Sprung von IBM-Maschinen in die Cloud ist gewaltig. Wie brachte Acredia das Projekt in dieser kurzen Zeit erfolgreich über die Bühne?
Kolb: Zum Beispiel lief unser gesamtes Vertragsmanagement jahrzehntelang über eine AS400 – eine tolle Maschine, die aber zwischenzeitlich in die Jahre gekommen ist.
Um die gesamte IT-Infrastruktur neu aufzubauen, braucht es den persönlichen Einsatz des ganzen Teams. Wir haben von Anfang an alle Fachbereiche miteinbezogen und alle auf das Projekt eingeschworen. Wenn allen klar ist, warum wir das machen und welchen Nutzen sie daraus haben, dann wird auch das Unmögliche möglich.
it&t: Welche Rolle spielten die Anwender im Rahmen des Projekts?
Kolb: Die IT erfüllt keinen Selbstzweck, sondern ist dazu da, dass das Unternehmen und die Menschen, die hier arbeiten, ihre Aufgaben effizient und effektiv erledigen können. Alle Fachbereiche – vom Credit Underwriting über das Riskmanagement bis hin zu HR und Sales – wurden von Beginn an miteinbezogen. In Workshops haben wir die Bedürfnisse und Anforderungen der verschiedenen Use-Cases erarbeitet und aufgrund dessen die Umsetzung geplant.
it&t: Gab es Stolpersteine im Projektverlauf?
Kolb: Gerade am Anfang haben uns die Erfahrungswerte für dieses Mammutprojekt gefehlt. Rückblickend muss ich schon sagen, dass wir bis zu einem gewissen Grad recht blauäugig an das Thema herangegangen – Was gut war, denn sonst hätten wir uns das vielleicht in dem Umfang gar nicht getraut.
Teilweise mussten wir erst Kompetenzen aufbauen, die Lernkurve war zum Beispiel beim Thema Cloud-Management sehr steil. Zum Glück hatten wir mit Kapsch einen kompetenten Partner zur Seite, der uns bestens beraten hat.
it&t: Die Versicherungsbranche arbeitet mit besonders sensiblen Daten und unterliegt daher strengen Compliance-Vorschriften.
Kolb: Absolut, deshalb haben wir schon bei der Planung der Cloudstrategie das Thema Compliance mitgedacht. Wir haben ein eigenes Cloud-Competence Team (CCT) gegründet, indem die einzelnen Fachbereiche vertreten sind. Die verschiedenen Perspektiven flossen so in die Strategie ein und das Ergebnis war ein ganzheitliches Konzept, das den strengen Compliance-Vorschriften der FMA Rechnung trägt. Am Ende wurde unsere neue IT-Infrastruktur innerhalb kürzester Zeit von der FMA genehmigt.
it&t: Auch die Menge an Daten, mit denen in der Versicherungsbranche gearbeitet wird, ist außergewöhnlich hoch. Wie sind sie mit dem Thema Big Data umgegangen?
Kolb: Big Data begleitet uns schon lange, das ist ein Thema, an dem wir kontinuierlich arbeiten. Gerade im Hinblick auf ESG (Environmental Social Governance, dt. etwa: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung; Anm.) erwarten wir, dass das Datenvolumen noch weiter steigen wird. Gerade deshalb war es uns so wichtig, unsere IT agil und flexibel aufzubauen, damit wir zum Beispiel Real-Time Dashboards abbilden können.
it&t: Welche nächsten Schritte in puncto Digitalisierung planen sie?
Kolb: Wir arbeiten gerade an einem Versicherungsprodukt für KMU, das komplett digital abgewickelt werden kann. Kreditversicherung wird damit so einfach, wie nie zuvor.