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Gastbeitrag: Wie stumpfe Trainingsroutinen und lästiges Suchen überwunden werden können und welche Parallelen Wissensarbeit und Radfahren aufweisen, beschreibt Andy Wilson.
Foto: Dropbox Der Autor Andy Wilson ist Director of New Product Solutions bei Dropbox und fährt privat leidenschaftlich Rennrad. Mit der Erfindung der Draisine hat Karl Freiherr von Drais 1817 die Fortbewegung revolutioniert. Zwar hat das heutige Zweirad nur noch wenig mit dem damaligen Prototypen gemein. Doch das Radfahren an sich hat sich scheinbar kaum verändert – genau wie die Arbeit am PC heute der Arbeit vor 20 Jahren ziemlich ähnlich scheint. Bei genauerer Betrachtung hat sich Radfahren oder arbeiten im Laufe der Zeit und insbesondere mit der Digitalisierung stark verändert. Sowohl beim Radfahren als auch bei der Wissensarbeit heißt es „in Bewegung bleiben“ und in die Pedale zu treten, ob mit neuen Technologien oder innovativen Führungsansätzen.
Ob bei der Tour de France oder in der Unternehmensführung: Ohne Zusammenarbeit gibt es keinen Sieg. Deshalb agieren professionelle Radsport-Teams im Peloton, also als geschlossenes Feld. So können alle von den unterschiedlichen Stärken der einzelnen Fahrer profitieren: Kapitäne und Sprinter treffen strategischen Entscheidungen, Bergspezialisten führen schwierige Anstiege an, endspurterprobte Zeitfahrer halten den anderen den Rücken frei.
Auch in Unternehmen kommen oft mehrere Abteilungen zusammen, die von der jeweiligen Expertise profitieren. Dabei ist immer wichtig, die Stärken jedes Einzelnen zu kennen und mögliche Schwächen durch Trainings auszugleichen. Anerkennung und Förderung von Leistung sorgt für mehr Zufriedenheit und dadurch eine höhere Produktivität.
Der Flow-Zustand ist im Radsport ein Garant für Bestleitung. Dabei ist der Fahrer vollständig auf seine Handlungen fokussiert. Wird er herausgerissen, kann das schnell zu Stürzen führen und wertvolle Zeit kosten. Das gilt auch im Berufsleben: Laut einer Studie von Next Work Innovation werden Arbeitnehmer alle vier Minuten in ihrem Gedankenfluss unterbrochen und benötigen im Schnitt 23 Minuten, um wieder zurückzufinden. Hochgerechnet sind das ganze fünf verlorene Arbeitstage im Monat. Daher braucht es klare Etappen an Fokuszeiten, damit Wissensarbeitende Bestleistung erbringen können.
Manchmal führen schon kleinste Veränderungen zu einem entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Im Radsport können diese sogenannten „Marginal Gains“ die Art der Kleidung sein, was man isst oder die Aerodynamik des Helms. Zu selten wenden wir dieses Konzept auf Werkzeuge und Verfahren im Arbeitsalltag an: Hätten wir eine bessere Möglichkeit, Informationen zu finden, könnten wir dann jede Stunde fünf Minuten sparen?
Extreme Steigungen oder lange Strecken: beides ist auf dem Rad sowie in der Wissensarbeit erschöpfend. Hier entscheidet das Equipment, ob man erfolgreich ins Ziel kommt. Das bedeutet: das Fahrzeug muss zur Beschaffenheit der Strecke und zum Menschen im Sattel passen. So maßgeschneidert sollte auch die Technik sein, die wir für digitale Arbeit nutzen. Hier kann uns im Arbeitsalltag künstliche Intelligenz unterstützen. So helfen uns zum Beispiel KI-gestützte Suchen, genau die Dateien, Links und Tools zu finden, die wir gerade brauchen. Statt uns mit dem Suchen auszulaugen, macht KI aus Suchen künftig Finden.
Dürfte ein Mountainbiker nur noch mit angezogener Bremse den Abhang hinabrollen, würde er den Radsport wohl schnell aufgeben. Ähnlich ergeht es Mitarbeitenden, die sich tagtäglich im Büro nur mit Routineaufgaben beschäftigen müssten. Das bestätigt eine 2022 durchgeführte Studie zur Arbeitszufriedenheit in Krisenzeiten. Darin gaben 41 Prozent der Befragten an, dass ihr Potenzial nicht ausgeschöpft wird oder sie sich sogar deutlich unterfordert fühlten. Sie wollen Vollgas geben, werden aber von den ihnen zugewiesenen Tätigkeiten ausgebremst, so die Befragungsergebnisse.
Die gute Nachricht: Routineaufgaben lassen sich dank KI automatisieren und so mehr Zeit für wichtige und sinnstiftende Aufgaben schaffen. Beispielsweise können Ordner automatisch angelegt oder Audio- und Videofiles direkt transkribiert werden. Schließlich wollen sich Radfahrer auch nicht ständig mit dem Aufpumpen und Flicken von Reifen beschäftigen, sondern darauf fokussieren, interessante Touren zu bestreiten.
So wie das Fahrrad vor über 200 Jahren zur smarten Alternative zum Gehen wurde, erleben wir in der aktuellen Arbeitswelt, wie KI die Wissensarbeit beschleunigt. Mensch und KI haben das Potenzial, ein unschlagbares Duo zu werden. Daraus ergeben sich nie dagewesene Möglichkeiten für unsere Arbeitswelt – denn nur wer jetzt einen Gang höher schaltet, wird mittelfristig das gelbe Trikot einfahren.v