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Die Tatsache, dass es sich ‚nur‘ um eine IT-Panne handelte, hat uns nach Einschätzung des Cybersecurity-Experten Dennis Weyel, diesmal vor dem digitalen Abgrund bewahrt. Im Falle eines böswilligen Hackerangriffs wäre aus der Sicht des International Technical Directors für Europa beim Sicherheitsunternehmen Horizon3.ai, die Situation für die Welt und die Menschheit jedoch weitaus ernster.
Foto: Horizon.ai Dennis Weyel, International Technical Director für Europa bei Horizon.ai Was als einfacher Softwarefehler begann, entwickelte sich in Rekordzeit zu einem globalen Desaster. Eine weltweite Störung bei Computersystemen – betroffen waren Anwendungen des US-Softwarekonzerns Microsoft – verursachte massive Probleme. Millionen Menschen bekamen die Auswirkungen der massiven IT-Panne schnell in ihrem Alltag zu spüren. Während die einen nur mit Flugausfällen zu kämpfen hatten, fielen bei anderen geplante Operationen aus. Zahlreiche Branchen, einschließlich kritischer Infrastrukturen wie Krankenhäuser, Telekommunikation, Trinkwasserversorgung und Energieversorger, waren betroffen. Dank sofortiger Krisensitzungen konnten erste Lösungen schnell umgesetzt werden, doch aus der Sicht des Sicherheitsexperten Dennis Weyel, International Technical Director für Europa bei Horizon3.ai, ist der Impact dennoch verheerend - hier sein Gastbeitrag:
Wir können von Glück reden, dass ‚nur‘ ein Softwarefehler für den Ausfall verantwortlich war. Stellen wir uns vor, es wäre ein gezielter Hackerangriff mit böswilliger Absicht gewesen. Ein solcher Angriff hätte noch viel katastrophalere Folgen für die ganze Welt, wenn bereits ein einziger Softwarefehler ausreicht, um für derartige Ausfälle zu sorgen. Bei einem gezielten Cyberangriff könnten im schlimmsten Fall ganze Infrastrukturen zusammenbrechen, Bankensysteme angegriffen oder das Gesundheitsnetz lahmgelegt werden. Dass in einem solchen Fall Menschenleben in Gefahr sind, muss man sich bewusst machen. Dieses Mal ist es uns gelungen, das Ruder herumzureißen, aber die Gefahr ist groß und sehr real, dass wir im Falle eines groß angelegten Cyberangriffs in einen Abgrund stürzen.
Erschreckende Statistiken des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verdeutlichen die enormen Risiken: Täglich werden rund 70 neue Schwachstellen in Softwareprodukten registriert, was eine immense Angriffsfläche schafft. Die Zahl der Personen, die gezielt nach diesen Schwachstellen suchen, ist größer als erwartet. Unsere Abhängigkeit von Maschinen und Anlagen ist enorm; ein gezielter Manipulationsangriff könnte verhängnisvolle Folgen haben. Die potenziellen Auswirkungen eines solchen Ausfalls wären für uns alle katastrophal.
Die Kettenreaktion eines solchen Cyberangriffs darf nicht unterschätzt werden. Sind die immensen Schäden erst einmal behoben, können Firmeninhaber, Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte zur Rechenschaft gezogen werden, denn letztlich trägt die Unternehmensleitung die Verantwortung. Es drohen Schadenersatzforderungen, die in die Milliarden gehen und Unternehmen in ihrer Existenz bedrohen können.
Dies gilt für Unternehmen aller Branchen, die ihre Cybersicherheit vernachlässigen. Auch sie müssen im Ernstfall mit erheblichen Schadensersatzforderungen rechnen. Die finanziellen und Reputationsschäden können ruinös sein. Die Unternehmensführung muss sich jetzt aufraffen und sich bewusst machen, dass sie persönlich haftbar gemacht werden kann. Eine Überprüfung der Cyberresilienz ist dringend erforderlich.
Angesichts der wachsenden Bedrohungen gibt es nur eine sinnvolle Lösung: firmenbeauftragte Angriffe durchzuführen, um Sicherheitslücken aufzuspüren. Dieses Verfahren, im Fachjargon als Penetration Testing bezeichnet, wird nicht mehr ausschließlich von White Hat Hackern durchgeführt, sondern kann mittlerweile auch durch autonome Pentests über Cloud-Plattformen von Unternehmen jeder Größe durchgeführt werden. Penetration Testing ermöglicht es, verwundbare Software sicher zu testen und gezielt auf Schwachstellen hinzuweisen, um notwendige Maßnahmen zu identifizieren. Selbstangriff ist die beste Verteidigung. In der aktuellen geopolitischen Lage ist es unerlässlich, potenzielle Sicherheitslücken proaktiv zu patchen. Reaktives und defensives Denken ist absolut keine Option mehr.