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Michael Beaupre, Head of Cyber Security bei Hays, erklärt im Gespräch mit it&t business, wie die Organisationform eines Unternehmens die Cyber-Security-Strategie beeinflusst, und welche Konstellationen im Vorstand der erfolgreichen Abwehr von Gefahren zuträglich sind – Teil eins unserer neuen Interview-Serie.
Foto: Hays
Michael Beaupre, Head of Cyber Security bei Hays: „Es sollte oberste Priorität für Unternehmen haben, die Qualifikationslücke beim Thema Cybersicherheit zu schließen“
it&t business: Cyber-Kriminalität kommt Unternehmen teuer zu stehen. Analysten prognostizieren bis 2025 einen Schaden von 10,5 Billionen Dollar. Wieso können Unternehmen diese erheblichen Verluste nicht vermeiden?
Mike Beaupre: Der prognostizierte Schaden zeigt, wie verletzlich Unternehmen heute sind. Weltweit sind rund 3,5 Millionen Stellen im Bereich Cybersecurity nicht besetzt – meines Erachtens nach ist das eines der zentralen Risiken im Kampf gegen Cyberkriminalität. Es sollte oberste Priorität für Unternehmen haben, diese Qualifikationslücke zu schließen. Obwohl innovative Technologien im Kampf gegen Cyberkriminalität absolut relevant sind, sind es letztlich starke Gemeinschaften, die das Herzstück jeder erfolgreichen Cyber-Strategie bilden.
it&t business: Generell gesprochen: Wie begegnen Unternehmen dem Thema Cybersicherheit?
Mike Beaupre: Die Herangehensweise ist abhängig vom individuellen Unternehmen. Es gibt ebenso viele unterschiedliche Szenarien wie Geschäftsmodelle. Nichtsdestotrotz lassen sich Unternehmen hinsichtlich ihrer Herangehensweise kategorisieren. Ein zentraler Punkt ist dabei, wie der C-Level das Thema Cybersicherheit angeht.
Im ersten Unternehmenstypus ist der Vorstand persönlich investiert, wirtschaftlich ausgewogen, operativ abgestimmt und treibt Cyber-Investitionen voran. Der Chief Information Security Officer (CISO) betrachtet Cybersicherheit ganzheitlich im unternehmerischen Kontext – er oder sie verbindet das Business mit technischer Expertise. Der CISO berichtet direkt an den Vorstand und hat die Entscheidungsgewalt, geschäftskritische Ressourcen durch strategische Leitprinzipien, umfassende Richtlinien, einschlägige Standards, innovative Technologien, End-to-End-Prozesse und vielschichtigem Fachwissen zu schützen. Er oder sie leitet diverse Entscheidungsgremien auf verschiedenen Hierarchieebenen, die aus Mitgliedern des Managements und der (operativen) IT zusammengesetzt sind. Die Budgets sind angemessen hoch, Autonomie ist gegeben und die Führungsebene wird als Partner angesehen. Der CISO arbeitet zudem eng mit der Rechtsabteilung zusammen und leitet persönlich Technologieteams, die Schutzmaßnahmen beim Einsatz kritischer Schlüsseltechnologien verantworten.
Konstellationen dieser Art sind besonders effektiv und weisen einen hohen Reifegrad auf. Allerdings haben sie noch Seltenheitswert – auch, wenn ihre Zahl von Jahr zu Jahr zunimmt.
Foto: Mohamed Hassan/Pixabay
Technologie ist im Kampf gegen Cyberkriminalität von großer Relevanz – letztlich sind es jedoch starke Gemeinschaften, die das Herzstück jeder erfolgreichen Cyber-Strategie bilden
it&t business: Welche weiteren Konstellationen auf Führungsebene gibt es?
Mike Beaupre: In der zweiten Konstellation ist der Vorstand eingebunden und Technologie-orientiert, die IT wirkt als Impulsgeber. Es gibt ein Bewusstsein über die strategische Bedeutung von Cyber-Sicherheit – diese wird jedoch als IT-Problem gesehen. Verantwortung tragen Chief Information Officers (CIOs) oder die IT-Leitung mit moderater Governance innerhalb der IT-Abteilung. Die IT-Leitung strebt zwar danach, Probleme rund um Cyber-Sicherheit zu lösen, verlieren aber oftmals den Fokus im Rahmen der Komplexität der gesamten IT-Strategie des Unternehmens. Sofern das Unternehmen einen Information Security Officer (ISO) beschäftigt, verfügt diese Funktion über kaum Entscheidungskompetenz oder ein nennenswertes Budget. Die Abstimmung zwischen Cyber-Sicherheit und Unternehmensstrategie erfolgt lediglich oberflächlich. Reportings im Kontext Integrität bzw. Sicherheit der betrieblichen IT-Infrastruktur sind tendenziell unvollständig.
Diese Unternehmen mit dieser Konstellation weisen oftmals eine Schatten-IT auf. Cybersicherheit wird eher als lästiger Posten im IT-Budget wahrgenommen. Die Cyber-Kapazitäten sind verstreut.
it&t business: Und die letzte Konstellation?
Mike Beaupre: In der letzten Kategorie von Unternehmen weiß der Vorstand über Cybersicherheit Bescheid, ist Richtlinien-orientiert und fokussiert auf Governance und Compliance. CISOs oder ISOs verfügen kaum über Entscheidungskompetenz bzw. operativer Relevanz und befassen sich vornehmlich mit Richtlinien. Die zugehörigen Teams sind in der Regel klein und fokussieren sich auf Regelwerke, Schulungen, Audits usw. Sie haben wenig bis keine Kontrolle über die (kritische) IT-Infrastruktur bzw. kaum Mitspracherecht bei technologischen Investitionsentscheidungen. Ihr Einfluss auf die Unternehmensstrategie ist daher begrenzt. Sie werden als „Scheinriesen“ wahrgenommen, die regelmäßig mit operativen IT-Abteilungen sowie der Unternehmensführung über Leitprinzipien oder operative Maßnahmen diskutieren müssen.
Konstellationen dieser Art kratzen lediglich an der Oberfläche einer umfassenden Cyber-Strategie. CISOs haben kaum Verantwortung und sind somit in ihrem Handlungsspielraum sehr limitiert.
it&t business: Was raten Sie Unternehmen?
Mike Beaupre: Mir ist es wichtig zu betonen, dass alle drei Kategorien eine Abstraktion der Realität sind. Dennoch ermöglicht die Kategorisierung ein praxisnahes Bild, wie Unternehmen Cyber-Sicherheit begegnen und welche Implikationen das nach sich zieht. Es gibt keine „One size-fits-all Lösung“, um der Komplexität von Cyber-Sicherheit zu begegnen. Vielmehr müssen CISOs und Vorstände zusammenarbeiten, um eine sinnvolle Lösung in diesem komplexen Umfeld zu finden.
Michael Beaupre ist Head of Cyber Security beim Personaldienstleister Hays. Der Experte für Cybersecurity, organisatorisches Risikomanagement und IT-Compliance blickt auf über 25 Jahren Erfahrung in der Beratung internationaler Unternehmen jeder Größenordnung und Einrichtungen des öffentlichen Sektors zurück.
Teil 2 des Interviews folgt demnächst.