Zölle rauf, Zölle runter, Zölle verschoben, dann die Einigung auf 15 Prozent, aber nur wenn Deutschland genügend in den USA investiert. Der nicht enden wollende Zickzackkurs der US-Regierung erhöht nicht nur die Kosten, er droht auch etablierte Lieferketten abreißen zu lassen und macht längerfristige strategische Planungen beinahe unmöglich. Unternehmen, die auch weiterhin wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen sich entweder international neu aufstellen oder sich an die Bedingungen anpassen. Mit einem variablen Lieferkettenmanagement und flexiblen cloudbasierten Planungstools ist das möglich.
Foto: Blue Yonder
Simon Bowes Corporate Vice President, Industry Strategy – Manufacturing, Blue Yonder
Nach Jahrzehnten des Freihandels, die geprägt waren vom Abbau globaler Handelsbarrieren, feiern Handelszölle aktuell ein „Comeback“. Die schwer kalkulierbaren Zollerhöhungen durch die USA treiben vor allem in Schlüsselindustrien wie Stahl, Automotive oder Pharma die Kosten in die Höhe und machen stabile, länderübergreifende Allianzen und Partnerschaften für Unternehmen deutlich schwieriger. Das trifft vor allem Branchen, die wirtschaftlich stark mit anderen Bereichen verflochten sind, wie zum Beispiel die global agierende Halbleiter-Industrie, die stark auf Taiwans Expertise in der Fertigung angewiesen ist. Ähnliches gilt auch für die deutsche Automobilindustrie, deren Exportstärke Deutschland zu einem wichtigen Akteur im internationalen Handel macht. Aber auch andere Branchen wie der Schiff- und Flugzeugbau sowie die Herstellung von Spezialgütern wie medizinische Geräte oder Musikinstrumente sind laut einer aktuellen Studie der DZ Bank betroffen. Angaben des Instituts für deutsche Wirtschaft (IW) in Köln zufolge, könnte allein ein US-Importzoll von zehn bis zwanzig Prozent die deutsche Wirtschaft in den kommenden Jahren zwischen 127 und 180 Milliarden Euro kosten.
Deutschlands Automobil- und Zulieferindustrie schwächelt nicht erst seit der Erhebung von US-Zöllen. Stellenabbau bei Mercedes-Benz und Porsche, Umsatzrückgänge und Gewinneinbrüche bei Zulieferern wie Bosch oder ZF Friedrichshafen. Die US-Zölle vergrößern nun die Unsicherheit in der Branche erneut, gehören die USA doch für die deutsche Autoindustrie zu den wichtigsten Exportmärkte. Fast 450.000 Fahrzeuge wurden laut VDA 2024 aus deutscher Produktion in die USA exportiert. Beinahe jeder vierte Porsche wurde in den USA verkauft, bei BMW und Mercedes lag der Anteil verkaufter Automobile jeweils bei gut 16 Prozent, bei Audi und VW waren es acht bis zwölf Prozent.
Deutsche Pharmahersteller, die ihre Produkte in die Vereinigten Staaten exportieren, werden bislang mit einem Zollsatz von 15 Prozent belegt. Die angekündigten Zölle von 100 Prozent scheint EU-Exporte aktuell nicht zu betreffen. Aus Sicht des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) bedeuten hohe Zölle in jedem Fall einen folgenreichen Rückschritt für die globale Gesundheitsversorgung und den Innovationsstandort Europa mit erheblichen Konsequenzen für die globalen Wertschöpfungsketten und die Kosten der Medikamentenherstellung. Han Steutel, Präsident des vfa sieht darin „ein gefährliches Spiel mit der Patientenversorgung. Und zwar in den Vereinigten Staaten und in Europa gleichermaßen“, so der vfa-Präsident gegenüber der Rheinischen Post.
Unter diesen Umständen ist eine stabile Preisstrategie für Unternehmen immer schwieriger umsetzbar. Reagieren sie auf höhere Zölle zu langsam, schrumpfen ihre Margen, geben sie die Preiserhöhungen in vollem Umfang weiter, laufen sie Gefahr, Kunden zu verlieren. Um Zollrisiken in Echtzeit zu prüfen und fundierte datengestützte Entscheidungen beispielsweise zu Preiserhöhung oder Produktionsverlagerungen zu treffen, bieten digitale Plattformen eine wertvolle Unterstützung. Mithilfe einer KI-gestützten Szenario-Planung lassen sich beispielsweise unterschiedliche Entwicklungen und Situationen simulieren. In großer Geschwindigkeit modellieren die KI-Tools mehrere, alternative Szenarien unter Berücksichtigung von Produktionskosten oder Auswirkungen von Zöllen oder potenziellen Lieferkettenengpässen.
Ähnlich wie ein GPS-System, das verschiedene Routen anhand von Kriterien wie Entfernung, Zeit und Kraftstoffeffizienz bewertet, unterstützen KI-gesteuerte Systeme Unternehmen dabei, sich in komplexen Handelsumfeldern zurechtzufinden, indem sie unterschiedliche Wege und mögliche Lösungen zur Minderung von zollbedingten Störungen aufzeigen. Unternehmen können so die Auswirkungen auf Nachfrage und Kosten bereits im Vorfeld bewerten oder Margenrisiken besser einschätzen. Beispielsweise, ob ein alternativer Produktionsstandort Kosten senken kann oder sich der Absatz von Produkten oder Dienstleistungen durch einen neuen Lieferanten steigern lässt.
In Zeiten zunehmender globaler Vernetzung wird ein ganzheitlicher Planungsansatz für Unternehmen immer wichtiger. Es reicht es nicht aus, die Auswirkungen von Zöllen isoliert zu bewerten. Unternehmen müssen auch verstehen, welche Faktoren des globalen Handelsumfelds ihre Geschäftstätigkeit noch verändern. KI-gestützte Funktionen wie Absatzplanung, Demand Sensing, Szenario-Planung und Supply Chain Control Tower Szenarioplanung müssen daher standardmäßig in die strategischen Prozesse integriert werden. Auf diese Weise können Unternehmen beispielsweise Auswirkungen auf Nachfrage und Kosten untersuchen, alternative Produktionsstandorte prüfen oder neue Lieferanten suchen. Durch das Simulieren unterschiedlicher Szenarien können Unternehmen verschiedene Reaktionen durchspielen und bewerten und so die Auswirkungen von Zöllen geringhalten.