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Eine neue Kooperation zwischen dem AIT und der Montanuniversität Leoben soll die Art, wie Rettungskräfte Unfälle in Tunneln bewältigen, verändern. Zwei Forschungsprojekte, MED1stMR und NIKE MED, stehen im Mittelpunkt einer realen Großschadensübung, die für Mitte September angekündigt ist.
Foto: Reinhart R. Unfälle in Tunnel stellen Einsatzkräfte vor besondere Herausforderungen. Der Einsatz von Extended Reality-Technologie soll die Retter besser auf den Ernstfall vorbereiten. Unfälle in Tunneln sind eine der größten Herausforderungen für Rettungskräfte weltweit. Bei solchen Katastrophen zählt jede Sekunde, und eine präzise Koordination zwischen Feuerwehr, Rettung und Polizei ist von entscheidender Bedeutung. Österreich, mit seinen zahlreichen Tunneln, hat sich zu einem Pionierland in der Bewältigung von Tunnelunfällen entwickelt. Mit dem längsten Straßentunnel Europas, dem Arlbergtunnel, und insgesamt 166 Straßentunneln ist das Land führend auf diesem Gebiet.
Das Austrian Institute of Technology (AIT) hat sich als Vorreiter in der Anwendung von Extended Reality (XR) im Bereich der Notfallvorbereitung etabliert. XR umfasst nicht nur virtuelle Welten, sondern auch die Integration von realen Elementen wie medizinischen Geräten und die Erfassung von Biosignalen, um ein umfassendes Trainingserlebnis zu schaffen. Die Verbindung von virtuellen und realen Welten ermöglicht es, den Ernstfall in einer sicheren Umgebung zu üben.
Helmut Schrom-Feiertag, Forscher am Center for Technology Experience des AIT, betont die Bedeutung von XR im Training für Einsatzkräfte: „Wir sehen XR als zentrales Element, um Einsatzkräfte gezielt und auf innovative Weise auf ihren Alltag und komplexe Situationen vorzubereiten.“ Dabei gehe es nicht nur um ein Training in der virtuellen Welt, sondern auch um Biosignal- und Stressmessung, eine Kombination von virtueller und realer Welt mit der Verwendung von „angreifbaren“ Gegenständen wie Stethoskop oder Beatmungsgerät sowie ein multisensorisches Erlebnis beim Training – etwa durch Wärme, Wind oder Nässe, sagt Schrom-Feiertag.
Um die Effizienz bei Notfällen in Tunneln zu steigern, haben sich zwei wegweisende Forschungsprojekte zusammengeschlossen: MED1stMR und NIKE MED. Das MED1stMR-Projekt, gefördert im Rahmen des EU Horizon 2020-Programms und unter der Leitung des AIT Center for Technology Experience, entwickelt eine Mixed Reality-Lösung für Notfallsanitäter:innen. Diese Lösung ermöglicht es, komplexe Unglücksszenarien in einer virtuellen Umgebung im Team zu trainieren. Insgesamt sind 18 Partner aus neun Ländern und sieben verschiedene medizinische Einsatzorganisationen bzw. Trainingszentren in ganz Europa an diesem Projekt beteiligt. Die aktuellen Praxistests sollen zeigen, wie diese Technologie dazu beitragen kann, das Training für Notfallsanitäter:innen zu optimieren.
Das Projekt NIKE MED, gefördert im Rahmen des KIRAS-Programms und unter der Leitung des Zentrums am Berg (ZAB) der Montanuniversität Leoben, zielt darauf ab, eine Applikation für alle an Notfalleinsätzen beteiligten Einsatzkräfte zu entwickeln. Diese soll die Koordination und die notfallmedizinische Versorgung von Verletzten in Tunneln und unter Tage verbessern.
Traditionelle Übungstage für Rettungskräfte sind kostspielig und aufwendig und erfordern oft die Sperrung von Straßen oder Tunneln. Daher werden die Forschungsprojekte im Rahmen einer Großschadensübung in den Unter-Tage-Anlagen des ZAB im steirischen Erzberg getestet. Das ZAB bietet dort eine einzigartige Forschungsinfrastruktur, um solche Szenarien zu simulieren, ohne die öffentliche Sicherheit zu gefährden. Vier Tunneln, jeweils 400 Meter lang, bieten eine ideale Trainingsumgebung für Einsatzkräfte. Die Johanniter Österreich, die freiwillige Feuerwehr Inzersdorf und die Polizei Gleinalm werden gemeinsam ein Szenario simulieren, bei dem ein Busunfall in einem echten Tunnel mit einer großen Anzahl von Verletzten nachgestellt wird.
Dieses Experiment wird dazu dienen, die Fortschritte der XR-Technologie im Vergleich zu traditionellen Trainingsmethoden zu bewerten. „Genau dieses Szenario testen wir derzeit auch im Projekt MED1stMR mit den Notfallsanitäter:innen in der virtuellen Umgebung. Ein Vergleich beider Trainingsmethoden gibt Aufschluss über zukünftige Verbesserungspotenziale“, erklärt Projektleiter Helmut Schrom-Feiertag.
In Tunneln und unter Tage sind Verletzungen oft besonders schwerwiegender Natur. Sie können durch Giftstoffe, Brände, Rauch, große Verbrennungen oder mechanische Gewalteinwirkungen verursacht werden. Zusätzlich besteht die Gefahr der Kontamination mit gefährlichen Stoffen. Daher ist die richtige Ausbildung und Vorbereitung für Notfallkräfte von entscheidender Bedeutung. Die bei der Großschadensübung gewonnenen Erkenntnisse werden laut Schrom-Feiertag dazu beitragen, die Trainingsmethoden und die Organisation von Großschadenslagen für alle Einsatzkräfte zu optimieren.
Links
AIT Center for Technology Experience: https://www.ait.ac.at/en/about-the-ait/center/center-for-technology-experience
ZAB, Montanuniversität Leoben: https://www.zab.at/ueber-uns/die-anlage
NIKE MED: https://www.kiras.at/gefoerderte-projekte/detail/nikemed
MED1stMR: https://www.med1stmr.eu/consortium