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Als Kaeser Kompressoren das Thema Datenqualität in Angriff nahm, ahnte noch niemand, dass künstliche Intelligenz (KI) ein echter Game Changer für das Unternehmen werden würde.
Mit rund 8.000 Mitarbeitern und einer weltweiten Vertriebs- und Serviceorganisation in mehr als 140 Ländern ist Kaeser einer der weltweit führenden Hersteller und Anbieter von Druckluftlösungen und -dienstleistungen.
Der Coburger Druckluft-Spezialist versteht sich nicht nur als Vorreiter in der Branche, sondern auch im Bereich innovativer Technologie. Schon vor dreißig Jahren war der familiengeführte Betrieb einer der ersten SAP-R/3-Kunden. Aktuell laufen mehrere SAP-Softwareprojekte parallel und erst kürzlich wurde mit der Migration auf RISE with SAP S/4HANA in der Cloud ein großer Meilenstein erreicht.
Quelle: Kaeser
Doch den Digitalisierungsbemühungen standen eine zunehmende Systemkomplexität und ein schwer beherrschbares Datenvolumen im Weg: „Schlechte Datenqualität hat unsere Projekte praktisch immer ausgebremst“, erklärt Falko Lameter, Chief Information Officer (CIO) bei Kaeser.
So fiel 2020 der Startschuss für die Entwicklung und Implementierung einer neuen, auf drei Jahre ausgelegten Datenstrategie. Gemeinsam mit SAP wollte Kaeser die Datenqualität verbessern und seine Kerngeschäftsprozesse optimieren.
„Unser erstes Ziel war es, eine Datenstrategie zu entwickeln“, erinnert sich Dr. Norbert Enge, Chief Business Consultant, SAP Business Transformation Services. „Künstliche Intelligenz hatten wir zwar auf dem Radar, aber sie war damals nicht unser Ausgangspunkt.“
Im ersten Schritt befasste sich das Team mit Stammdaten. „Wir haben beispielsweise eine 6-stellige Zahl von Lieferanten im System, von denen mindestens zwei Drittel gar nicht mehr aktuell sind“, erklärt Lameter. Eine manuelle Pflege dieser Daten hätte einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verursacht – viele Unternehmen packen Datenprojekte dieser Größenordnung daher gar nicht erst an.
Da zeitgleich das Thema künstliche Intelligenz in Unternehmen (Business AI) immer mehr auf dem Vormarsch war, begann das Team, KI in die Datenstrategie zu integrieren.
Das Resultat war „Predicting Inactive Suppliers“, ein benutzerdefinierter KI-Anwendungsfall, der auf einem SAP AI Service (Data Attribute Recommendation) und SAP Analytics Cloud basiert. Damit konnte Kaeser die Datenpflege zu über 80 Prozent automatisieren, die Datengenauigkeit erhöhen und eine signifikante Produktivitätssteigerung erzielen.
„Heute würde ich sagen, man kann diese Daten gar nicht manuell pflegen, das geht eigentlich nur mit KI“, so Lameter. „Die Zeit für KI ist gekommen und ich bin überzeugt, die Zukunft wird datengesteuert sein.“
Hauptziel des Projektteams war es, Einsatzmöglichkeiten für KI zu finden, die den Endkunden nutzen. Eines dieser Szenarien betrifft die Suche nach Ersatzteilen. Aufgrund der hohen Varianz ähnlicher Artikel kann dies eine schwierige und zeitaufwendige Aufgabe sein und einen hohen Aufwand im Service erzeugen.
Mit „Visual Spare Parts Search“, einem in Zusammenarbeit mit nyris entwickelten KI-Anwendungsfall, können Servicetechniker nun einfach ein Foto des benötigten Ersatzteils machen. Der eingebettete KI-Dienst nyris Visual Search nutzt Bilderkennung, um hochgeladene Bilder mit der Ersatzteil-Datenbank zu vergleichen, und liefert die entsprechende Material-ID.
Dies beschleunigt die Ersatzteilsuche für die Servicetechniker und bietet Kunden die Möglichkeit, Ersatzteile selbst zu identifizieren.
Der vielversprechendste KI-Anwendungsfall ist „SAP Intelligent Product Recommendation“, der Vertriebsmitarbeitern hilft, die Anforderungen und Prozesse der Kunden zu verstehen und in gezielte Produktempfehlungen zu übersetzen. Nachdem sie die Anforderungen des Kunden in natürlicher Sprache beschreiben, analysiert die Software die Anforderungen auf Basis von maschinellem Lernen und generativer KI und empfiehlt die am besten geeigneten Kompressoren.
„Produktempfehlungen zu geben ist eine Kunst“, sagt Enge. „Wenn man die Technologie hat, um bessere Empfehlungen zu geben, ist das ein echter Hebel.“
KI-Technologien zu implementieren, ist das Eine. Doch das Team machte die Erfahrung, dass es genauso wichtig ist, die Menschen mitzunehmen und die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehören unter anderem benötigte Softwarekomponenten, Schulungen für die Mitarbeiter oder die Diskussion von ethischen Aspekten rund um KI.
Die Rückendeckung der Firmenleitung und der Austausch mit verschiedenen Teams, wie Forschung und Entwicklung, Marketing, Vertrieb oder Service, erwies sich als wichtiger Erfolgsfaktor. „Letztendlich geht es auch um die Auswirkungen auf die Menschen und die Gemeinschaft, in der man lebt und arbeitet, und es ist aus meiner Sicht sehr wichtig, dies zu berücksichtigen“, meint Lameter.
Mindestens ein Fünfkampf sei das, findet Enge: „Manche Leute sagen, dass es nur darauf ankommt, einen guten Datenwissenschaftler zu haben. Das ist sicherlich ein sehr wichtiger Punkt, aber es geht auch darum, Geschäftsprozesse und Geschäftsdaten zu verstehen, und nicht zuletzt geht es darum, Ängste zu adressieren und zu erklären, wie man zu den Ergebnissen kommt.“
Als IT-Pionier begegnete Kaeser dem Thema künstliche Intelligenz mit großer Offenheit. „Das ist Teil der Firmen-DNA“, bekräftigt Enge. „Wir haben von Anfang an im Projekt darüber diskutiert, in welcher Liga wir spielen wollen, und es war klar, dass KI ein Teil des Werkzeugkastens sein sollte, wenn wir in der ersten Liga spielen wollen.“
Der Anteil von SAP Business AI innerhalb des Datenprojekts ist von unter 10 Prozent im ersten Jahr auf über 30 Prozent im dritten Jahr gestiegen. Inzwischen konzentriert sich das Team zu 100 Prozent auf SAP Business AI und hat zwölf konkrete Anwendungsfälle entwickelt, die vor allem am Nutzen für die Kunden orientiert sind.
Das ist erst der Anfang. Kaeser hat auf Basis der NVIDIA Omniverse-Plattform einen Prototyp entwickelt, um den Prozess der intelligenten Produktempfehlung zu visualisieren, wie SAP CEO Christian Klein in seiner Keynote auf der SAP Sapphire 2024 zeigte.
„Tretet die Reise an, dann werdet ihr spannende Dinge entdecken“, empfiehlt Enge. „Die Fortschritte sind enorm und man kann daran teilnehmen.“