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Die Entwicklung des Cloud-Computing-Marktes stagniert – auf hohem Niveau zwar, aber sie stagniert. Sofort ist wieder häufiger von Cloud Repatriation zu lesen, der Rückführung von Workloads aus der Cloud, um Kosten zu sparen. Was steckt hinter dieser Entwicklung? Und was hat das alles mit Edge Computing und den amerikanischen Hyperscalern zu tun? Fünf Überlegungen von Henrik Hasenkamp.
Foto: gridscale Der Autor Henrik Hasenkamp verantwortet als CEO die Strategie und Ausrichtung von gridscale, einem europäischen IaaS- und PaaS-Anbieter. Die Entwicklung des Cloud-Marktes insgesamt ist unübersichtlich. Das macht es Unternehmen nicht leichter zu beurteilen, welche Cloud-Services in welcher Ausprägung zu den eigenen Anforderungen passen. Die folgenden fünf Überlegungen können helfen, die Marktentwicklungen und Medienberichte einzuordnen.
Zählt eine Hosted Private Cloud nicht irgendwie auch zu den Public Clouds, weil doch die Infrastruktur eines Service-Dienstleisters genutzt wird? Oder ist eine Cloud immer dann privat, wenn dedizierte Ressourcen zur Verfügung stehen, egal ob On-Premise oder outgesourct? Die Grenzen zwischen Public und Private Cloud sind längst unkenntlich geworden – und genauso soll es auch sein. Denn jedes Unternehmen benötigt eine individuelle Infrastruktur mit Cloud-Lösungen, die sich nach Bedarf entwickelt.
Unternehmen müssen für sich definieren, was dieses „nach Bedarf“ genau bedeutet: Welche Ressourcen und welche Performance sollten immer zur Verfügung stehen und welche Workloads kommen mit flexibler Infrastruktur und leichten Latenzen aus? Marktbetrachtungen und die Fragen nach Cloud-Präferenzen sind selten so differenziert. Insgesamt haben sich Cloud-Services fest etabliert: Laut Cloud Monitor 2022 setzen 84 Prozent der befragten Unternehmen Cloud Services ein, weitere 13 Prozent planen eine Investition.
Einer weiterer Technologie wird disruptives Potenzial in Bezug auf die Verarbeitung von Daten nachgesagt: Im Zuge des Internet-of-Things (IoT) und anderer immer datenintensiverer Anwendungen setzen Unternehmen vermehrt auf Edge Computing. Dabei werden Daten an der Edge – am Rand des Netzwerks – verarbeitet. Es ist wenig sinnvoll und braucht eine enorme Bandbreite, solche großen Datenmengen in eine Cloud zu transferieren, um sie dort zu verarbeiten.
Ersetzt Edge Computing damit die Cloud? Nein, es ergänzt sie. Denn Edge-Geräte erledigen zwar wichtige Vorarbeit, zur umfassenden Datenanalyse oder Datenbereitstellung eignen sie sich jedoch nicht. Hier sind kluge Datenkonzepte über Geräte, Anwendungen und Infrastrukturen hinweg gefragt.
Es ist die logische Schlussfolgerung und dennoch wird es in der Praxis häufig unterschätzt: Gerade weil die Cloud-Infrastruktur eines Unternehmens beinahe zwangsläufig aus mehreren Wolken besteht und sich kontinuierlich verändert, kommt dem Cloud Management eine besondere Bedeutung zu. Zwar lässt sich für jede Anwendung und jeden Workload der passende Cloud Service finden. Werden diese jedoch nicht voll integriert und immer wieder ausgesteuert, bleiben sie hinter ihrem Potenzial zurück.
Dabei meint Cloud Management nicht nur ein Dashboard, welches die Auslastung und ähnliche Werte der Cloud Services anzeigt und über das die Lastenverteilung gemanagt werden kann. Dazu gehört es ebenso, Richtlinien für die Cloud-Nutzung und die Inbetriebnahme neuer Cloud Services festzulegen, auf die Einhaltung von Governance- und Compliance-Vorgaben zu achten, die Verträge mit den Dienstleistern hin und wieder zu optimieren und nicht zuletzt die Cloud-Infrastruktur ständig mit dem Datenkonzept abzugleichen und Prozesse übergreifend zu automatisieren.
Dass vor allem Public-Cloud-Angebote immer wieder in die Kritik geraten, sie seien teurer als erwartet und intransparent, hat auch mit den Standardangeboten der großen Hyperscaler zu tun. AWS- und Azure-Cloud sind allgegenwärtig, bieten sie doch zuverlässige, schnell einzurichtende Services. Aber die gebuchten Standardausführungen passen selten zum operativen Geschäft: Zusätzliche, nicht vorhergesehene Workloads (wegen denen man ja eigentlich eine flexible Infrastruktur anstrebte) kosten häufig zu viel, jeder Sonderwunsch erscheint auf der Rechnung. So kann es passieren, dass die Cloud in der abschließenden Kostenrechnung teurer ist als kalkuliert und – was noch gravierender ist – kostenintensiver als der On-Premise-Betrieb.
Das Problem in den meisten Fällen dabei sind jedoch nicht die Cloud Services an sich, sondern der unpassende Vertrag. Hyperscaler nutzen ihre Marktpräsenz, um vor allem Mengengeschäft zu generieren. Der Markt aber bietet transparentere, individuellere Services. Lokale Dienstleister sind näher an ihren Kunden – übrigens auch was Datenschutzverordnungen und ähnliches angeht – und gehen nicht nur bei großen Unternehmen auf individuelle Anforderungen ein. Denn auch eine Public Cloud ist nicht nur ein Service, sondern ein wichtiger Teil der Unternehmens-Infrastruktur.
Wenn der Cloud Service mehr kostet als eine On-Premise-Alternative, bedarf es zweifelsohne einer kritischen Überprüfung. Dabei sollten Entscheider:innen aber genau definieren, was das Ziel ihrer Cloud-Initiativen ist: Geht es rein um Kosteneffizienz oder spielen auch Flexibilität und eigener Ressourcenmangel eine Rolle? Einen Workload zurück ins eigene Rechenzentrum zu holen, kostet Zeit und Geld: Hardware, Software und die Kompetenz von Expert:innen werden benötigt und das nicht nur für den Wechsel, sondern auch für den künftigen Betrieb. Meist zieht eine Repatriation weiteren Aufwand nach sich: Prozesse müssen neu integriert und zahlreiche System-Parameter angepasst werden. Unternehmen sollten Aufwand und Nutzen einzelner Services immer im großen Zusammenhang sehen und beurteilen. Eine Repatriation lohnt sich in den wenigsten Fällen.
Cloud Service – public und private – gehören inzwischen in allen ihren Formen so selbstverständlich zur unternehmerischen IT-Infrastruktur, dass Marktbetrachtungen nur begrenzte Aussagekraft haben. Auch der KPMG-Report differenziert hier: Nach stärkerem Wachstum im Jahr 2021 und den nun moderateren Zahlen für 2022 sehen die Marktanalyst:innen Potenzial für die nächsten Jahre. So gaben 28 Prozent der Befragten an, sich mit Public-Cloud-Themen zu beschäftigen. 14 Prozent diskutieren über den Einsatz von Private-Cloud-Lösungen.
Und wie bei jedem strategisch wichtigen Infrastruktur-Bestandteil gilt auch für Cloud-Services: Sie müssen zum Unternehmen und dessen Datenstrategie passen, integriert und laufend gemanagt werden. Kostenrechnungen sind überaus wichtig, aber sie spiegeln nicht den einzigen Mehrwert von Cloud Services wider. Befragt nach den Zielen ihrer Cloud-Implementierung antworteten die Befragten des Cloud Monitor entsprechend: Nach Kosteneinsparungen zählen die Reduktion von CO2-Emissionen, der Aufbau von Plattformen zur flexiblen Kooperation mit Geschäftspartnern, die Digitalisierung von Prozessen, die Innovationsfähigkeit und die Entwicklung digitaler Geschäftsmodell zu den meistgenannten. Ziele, die ohne die Möglichkeiten der Cloud kaum im Raum stünden.